© Wolfgang Borchers / pixabay.com
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Klimapolitik: Handlungsbedarf für Industrie und Energiewirtschaft

Online-Konsultationsprozess startet im Sommer mit Grünbuch

Wien - Über "Rahmenbedingungen für industrielle Produktion und Energieaufbringung" diskutierten am Donnerstag im Parlament beim zweiten Panel der Klima-Enquete Michael Losch vom Bundesministerium für Wissenschaft, Forschung und Wirtschaft (BMWFW), Wolfgang Eder von der VOESTALPINE AG, Brigitte Bach vom Austrian Institute of Technology, von der Bürgerinitiative "Energiewende für Österreich" Johannes Wahlmüller sowie als Vertreter der Energiewirtschaft von der Verbund AG Wolfgang Anzengruber.

Grünbuch leitet Konsultationsprozess ein

Michael Losch, Sektionschef vom BMWFW, schickte voraus, dass Österreich die in Paris beschlossenen Energieeffizienzziele jedenfalls mittrage. Dazu arbeite man daran, dass für alle Seiten eine Win-win-Situation entstehe: Es gelte, alle Stakeholder auch miteinzubeziehen, um eine gemeinsame Österreich-Position bei der Klimafrage zu erreichen. Vor wenigen Tagen wurde daher gemeinsam mit anderen Ministerien ein Grünbuch präsentiert, das eine Datenbasis mit offenen Fragen für einen partizipativen Konsultationsprozess darstelle. Dieser Prozess sei bis Herbst geplant, die Online- Konsultation, zu der alle eingeladen sind sich zu beteiligen, laufe über den Sommer. Darauf aufbauend solle ein Weißbuch und damit eine gemeinsame Klimastrategie erarbeitet werden, um die nötigen Ziele zu erreichen, so Losch. Folgen soll dann jedenfalls auch eine Reform des Ökostromgesetzes.

Industrielle Beschäftigung für den Wohlfahrtsstaat sichern

"Ohne Technik und Effizienz wird es kein vernünftiges Auskommen und keine sozial wichtige Mindestbasis geben", betonte Wolfgang Eder, Vorstandsvorsitzender der Voestalpine. Das Klimaabkommen von Paris sei zwar ein erster wichtiger Schritt, aber im Grunde bisher nur eine Absichtserklärung. Er warnte daher vor voreiligen, einseitigen weiteren Verschärfungen, denn auch die EU-Klimaziele seien bereits ambitioniert genug. Es gelte den globalen Energiewettbewerb zu beachten, denn klar sei auch, dass Klimapolitik den Erfolg des Standortes bestimme: Gerade bei der Decarbonisierung geht es um eine grundlegende Umstellung, wichtig sei für ihn dabei eine übergreifende Standortpolitik. Denn die grundsätzliche Frage lautet: "Wer bezahlt die Energiewende?" Eder machte aus seiner Sicht darauf aufmerksam, dass bereits eine überdurchschnittliche Mehrbelastung der EU- Stahlunternehmen im globalen Vergleich bestehe. Auch einseitig hohe CO2-Preise in Europa eröffnen der globalen Konkurrenz, die weniger in Umwelt investiert, Tür und Tor. Er appellierte daher an die Politik, jedenfalls die Wettbewerbsfähigkeit und damit die Beschäftigungssituation zu erhalten und zu verbessern, denn "weniger industrielle Beschäftigung stellt den Wohlfahrtsstaat in Frage", so Eder.

Vorzeigeregionen als Lernprojekte erkennen

"Bestehende Herausforderungen mit Forschung und Innovation in Wettbewerbsvorteile umwandeln" sei der Weg zum Erfolg, so die Leiterin des Energy Departments vom Austrian Institute of Technology, Brigitte Bach. Denn gerade der Aspekt, dass die Herausforderungen globale sind, könnte ein Wettbewerbsvorteil für Österreich werden. Man könne und sollte zeigen, wie gut die Infrastruktur für Forschung in Österreich sei und die Welt darauf aufmerksam machen, was möglich ist. Zusätzlich zur Frage, wie Forschung unterstützt werden kann, brauche es alle Bereiche der Gesellschaft für die Schritte, die gesetzt werden müssen - es sollten sich daher auch alle eingeladen fühlen, vor Ort "Best Practice" Beispiele zu gestalten. Vor allem auch die bereits bestehenden Projekte und Vorzeigeregionen könnte man bei der Komplexität des Themas als Vorbilder heranziehen, meinte sie.

"Müssen Dramatik der Situation erkennen"

Dringenden Handlungsbedarf zur Emissionsreduktion sieht Johannes Wahlmüller als Vertreter der parlamentarisch eingebrachten Bürgerinitiative "Energiewende für Österreich". Er plädierte dafür, dass die heutige Enquete den vollständigen CO2-Ausstieg zum Ziel haben sollte. Das Beispiel Dänemark zeige, dass man sehr wohl gleichzeitig die Wirtschaftskraft steigern und in der Klimapolitik erfolgreich sein könne. Die vergleichsweise langsame Entwicklung in Österreich sei darauf zurückzuführen, dass ambitionslose Klimaziele gesetzt werden, so Wahlmüller. Mittel der Wahl für die Energiestrategie seien unter anderem, Erhöhung der Sanierungsmittel und Anreize für Energieeffizienz zu setzen. Einen definitiven Beschluss für den CO2-Ausstieg und eine ökologische Steuerreform hält er für ebenso dringlich. Um sich von künftigen Generationen nicht die Frage stellen lassen zu müssen, "wie man bei so viel Wissen so wenig tun konnte", sollte man die Chancen, die sich jetzt ergeben, nutzen.

Europäische Perspektive für Stromversorgung gefordert

Der Klimavertrag von Paris sei ein großer Erfolg, so der Vorstandsvorsitzende der Verbund AG Wolfgang Anzengruber. Die Energiewende habe sich aber derzeit auf eine Stromwende konzentriert, obwohl es in Österreich nur um 20% Stromanteil am Energieverbrauch gehe und davon ohnedies bereits 80% aus erneuerbarer Energie stammen. Viel wirkungsvoller wäre aus seiner Sicht eine Konzentration auf die Bereiche Mobilität und Wärme, aber auch eine Stromstrategie, die Flexibilität bei Stromspeichern beinhaltet - Stichwort Dezentralisierung bei Speichermöglichkeiten. Nicht zu vergessen seien dabei auch die wichtigen Investitionen in die Netzinfrastruktur. Im Sinne der Wertschätzung der heimischen Ressourcen, allen voran die Wasserkraft, müsse auch die bestehende Marktverzerrung durch die fossilen Förderungen in der EU im Sinne einer Preiswahrheit ausgeglichen werden. Daher sei eine gemeinsame europäische Perspektive dringend nötig, um die Klimaziele wirksam zu definieren und zu einer sicheren und zugleich leistbaren Stromversorgung zu kommen.

Standortpolitik und Verantwortung für Klimaschutz

In der anschließenden Diskussion meldeten sich ExpertInnen aus der Politik, von Interessensvertretungen, der Wissenschaft und der Sozialpartner zu Wort. Österreich müsse mehr für die erneuerbaren Energien und den Klimaschutz unternehmen und die Verantwortung für die Zukunft übernehmen - die derzeitigen Maßnahmen reichen nicht, so Peter Püspök vom Verband Erneuerbare Energie Österreich. Eine CO2- Abgabe sei das beste Klimainstrument, es brauche auch ein Ölheizungsverbot und ausgeglichene Energiepreise. Die Energiewende sei ein Wirtschaftsmotor, also das Gegenteil einer Wirtschaftsbremse, sagte dazu Fritz Binder-Krieglstein, Geschäftsführer der Renewable Energies Consulting, und betonte die Bedeutung der Technologiefortschritte in diesem Zusammenhang. Kasimir Nemestothy von der Landwirtschaftskammer Österreich plädierte für Kostenwahrheit am Energiemarkt und dafür, die Effekte für Arbeitsplätze im ländlichen Raum zu beachten. Abgeordnete Martina Diesner-Wais (V) sprach sich für ein "klares Nein zu Kohle" und ein "klares Ja zu erneuerbarer Energie" aus. Es gebe bereits tragfähige Lösungsvorschläge, die nun mit dem Koalitionspartner besprochen werden. Ein Konzept für eine nationale "Bioökonomie-Strategie" sprach Martin Glößl von der Universität für Bodenkultur an. Damit solle im Sinne einer nachhaltigen Wirtschaftsstrategie ein Modell einer Kreislaufwirtschaft entstehen. Abgeordneter Josef Lettenbichler (V) wies darauf hin, dass es unverzichtbar sei, die Industrie im Land zu halten und auszubauen, daher sei Energie- und Klimapolitik eindeutig auch Standortpolitik.

Dringender Handlungsbedarf, Suche nach gemeinsamer Lösung

Abgeordnete Christiane Brunner (G) wiederholte, dass der Klimavertrag von Paris ein rechtsverbindliches Abkommen sei, das fossile Zeitalter sei damit zu Ende und man müsse jetzt handeln. Es ginge nicht mehr darum, ob, sondern wie die Ziele zu erreichen sind und dazu brauche es gemeinsame Anstrengungen mit der Industrie. Für Theresia Vogl vom Klimafonds ist die Transformation der Energie die Schlüsselfrage für die Industrie, diese sei aber machbar und notwendig. Mario Matzer von der AK hält die Rahmenbedingungen für die Ursache der bisherigen "Klima-Scheinpolitik", am Ende des Tages dürfen aber nicht die Endverbraucher dafür bezahlen. Statt die Klimapolitik auf dem Rücken der ArbeitnehmerInnen auszutragen, ist eine Erhöhung der Vermögens- und Erbschaftssteuer nötig, so seine Forderung.

Für die großen Herausforderungen vor denen wir stehen, möchte Michael Staudinger von der Zentralanstalt für Meteorologie und Geodynamik (ZAMG) im partizipativen Zugang auf dem Weg des initiierten Grünbuchs eine gemeinsame Lösung suchen. Nach Johann Precht, könnte Österreich dabei eine Vorreiterrolle in der Klimapolitik in Europa übernehmen. Besonders eindringlich hielt Klimaexpertin Helga Kromp-Kolb fest, dass es im Sinne des Klimas rasch Anstrengungen brauche, "die vergleichbar sind mit dem Aufbau nach dem zweiten Weltkrieg." In einem ersten Schritt sollten die leichteren Probleme gelöst werden, für die es auch bereits Lösungsvorschläge gibt. Bundesrat Andreas Pum (V/O) plädierte für Taten statt "warme Luft". Wie es die Landwirtschaft schon vorzeige, könne auch die Industrie Verantwortung übernehmen, um die Chancen zu nutzen. Abschließend bestätigte auch Dieter Drexler von der Österreichischen Industriellenvereinigung, dass das Klimaabkommen von Paris aus seiner Sicht ein Erfolg sei, dass man aber Innovationsimpulse für Standortattraktivität ebenso wie die Erreichung der Klimaziele brauche.

Quelle; Pressedienst der Parlamentsdirektion


Artikel Online geschaltet von: / Doris Holler /